Post by Gerhard Zahnschön mal wieder was von dir zu lesen.
Danke, ich muß beruflich etwas kürzer Treten, und nehm mir einfach mal
wieder die Zeit meinen Senf beizutragen ;-)
Post by Gerhard ZahnSo lange man bei den Mutanten nach genetischen Unterschieden sucht,
ist nicht bewiesen, dass es keine genetischen Unterschiede gibt.
Unterschiedliche Färbung zB, die nicht genetisch bedingt sein soll,
kann ich mir zB nicht vorstellen. Aber ich kann mir vorstellen, dass
der genetische Code dafür schwierig festzumachen ist und dass nicht
konstante genetische Merkmale noch schwieriger in den Griff zu
bekommen sind, das leuchtet mir ein.
Darin liegt das Problem. Alleine bei uns stehen ja im Moment über 400
Sorten, die ORG hat ein noch viele größeres Sortiment und wir halten im
Moment aus Platzmangel wirklich nur die Sorten vor, die auch wirklich
für Baumschulen und Hobbyanbauern im Interessant sind. Wenn ich jede
Sorte, bei der auch nur alle paar Jahre mal nach einem Edelreis gefragt
wird, aufbauen wollte, wäre hier im weiten Umkreis wahrscheinlich keine
andere Vegetation außer Reiserschnittbäumen mehr zu beobachten ;-)
Haibo hat in Bavendorf vor ca. 3 Jahren mit einer neuen Methode des
Fingerprintings angefangen nachdem sie sich in anderen Ländern umgesehen
hat und feststellen mußte, dass alle anderen mal wieder weiter sind als
die Deutschen. Seitdem ist sie nur damit beschäftigt ersteinmal alle in
D vorkommenden Sorten in ihren Grundstrukturen zu katalogisieren um
einen Grundstock an Ergebnissen zu haben. Ich weiß aber aus eigener
leidvoller Erfahrung, dass mit den momentan vorhandenen Daten sich
Mutanten (noch) nicht unterscheiden lassen. Ursprünglich war das Projekt
auf eine zeitdauer von 5 Jahren begrenzt, jetzt sieht es nach einer
Lebensaufgabe aus.... Oftmals müssen für ein und dieselbe Obstart
verschiedene Marker gesucht werden, um genau typisieren zu können.
Deshalb gebe ich Dir recht, dass es sicherlich Unterschiede geben wird,
nur leider können wir sie noch nicht finden.
Post by Gerhard ZahnAndererseits: was ist an einem schwachwachsenden Baum so interessant,
der nur vorübergehend schwach wächst?
Da sind wir wieder bei dem Punkt, das selbst die meisten Obstbauern
nicht wissen, was sie da eigentlich anbauen. Stella war eine der ersten
selbstfruchtenden Sorten und wird deshalb heute noch vor allem in
Nordeuropa einfach wegen ihres Bekanntheitsgrades stark nachgefragt.
Selbstfruchtend und klein = Container für den Balkon. Den Baumschulen
ist das doch egal, ob in drei Jahren der obendrüberwohnende von seinem
Balkon aus miternten kann :-( Hauptsache der Umsatz stimmt.
Post by Gerhard ZahnAber die Marketing-Leute werden den Kunden schon beibringen, welches
Aussehen bei Äpfeln zum Kauf verleitet.
Nicht nur bei Äpfeln. Denk nur mal an die Geisenheimer Zwetschensorte
Topper. Was hat man bei der Markteinführung für ein Theater wegen
Fruchtdeformationen gemacht (Doppelfrüchte, eingefallene Stielgrube)
"Kann man nicht verkaufen, will kein Mensch!" das Auge ißt schließlich
mit.... Nach zwei Jahren konnten wir überhaupt nicht genügend
Veredelungsmaterial produzieren, weil man plötzlich im wahrsten Sinne
des Wortes auf den Geschmack gekommen war.
Post by Gerhard ZahnNa ja, das machen doch eh fast nur osteuropäische Erntehelfer. Aber
selbst deren Kosten steigen natürlich bei mehrmaliger Durchpflückerei.
Siehe dieses Jahr die Zwetschenschwemme. Der Markt war gesättigt, die
Preise fielen ins Bodenlose. Die Erntehelfer kosteten mehr, als die
Ernte einbrachte. Viele haben überhaupt nicht mehr bis zu den Spätsorten
geerntet sondern nur noch drübergemulcht. Überhaupt mußt Du froh sein,
wenn heute überhaupt noch (polnische) Erntehelfer kommen. Solange einer
fürs Besenschwingen auf dem Flughafen Heathrow 8Pfund!!! bekommt, geht
der doch nicht für 5,45EUR freiwillig in Dreck und Regen in die
Obstanlage.
Post by Gerhard ZahnAlso wenn einer eine neue Apfelsorte bei den Profis einführt, die sich
hinterher bezüglich der Reife als derart folgernd herausstellt, dann
war das ein Marketing-Spezialist, der sich in den Obstanlagen nicht
blicken lassen darf. :-(
Leider heute aber Gang und Gebe. Überlege doch einfach mal, welche Sorte
aus dem neueren Sortiment im Endeffekt auch wirklich das bring, was uns
die Züchter versprochen haben. Alles wird in immer kürzeren Abständen
seit der Züchtung auf den Markt geworfen. Einer der wenigen Ausnahmen
war Dr. Hartmann aus Hohenheim, der nichts ohne wirklich langjährige
Prüfungen in verschiedenen Anbaugebieten zur Marktreife brachte. Jetzt
geht er in Rente..... und was ist aus Katinka und Presenta geworden.
Sicherlich haben sie noch ihre Daseinsberechtigung (an einzelnen
Standorten) aber der Trend geht wieder zu Bühler und Ersinger und Herman
im Frühsortiment.
Post by Gerhard ZahnIch habe mal essreife, gut ausgebildete Früchte vom Golden Dilicious
vom Baum weg gegessen. Seither schmeckt mir keiner mehr vom Handel,
auch nicht von der Apfel-Boutique.
Komisch *g* Laß mal Golden zwei Tage nach der Vollreife am Baum hängen
und schau Dir an, was dann noch übrig ist. Golden ist eine der typischen
Sorten, die man "unreif" pflücken MUSS wenn man sie einlagern und später
verkaufen will. Wer kauft schon süße, mehlige Äpfel die auch noch
eingeschrumpelt sind und nach Meinung der Marktingexperten nur noch für
Mus und Saft taugen?
Viele Grüße, Lothar